GFK Workshop: Service Development Basics

Kundenbedürfnisse zu erkennen ist herausfordernd. Sehr oft schafft man es schon selbst nicht die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Eine „Methode“ gibt es, die Gefühl und Bedürfnis koppelt: GFK

GFK steht für Gewaltfreie Kommunikation (engl.: Non-violent communication). Das bedeutet nun nicht, dass hier besonders „sanft“ miteinander gesprochen wird. Es steht dafür, dass man in Kontakt mit sich selbst kommt, seine Gefühle wahrnimmt, die Bedürfnisse hinter den Gefühlen versteht und darum bittet, dass diese Bedürfnisse zumindest nicht verletzt werden. Es geht aber auch darum, in Kontakt mit Menschen zu kommen, deren Gefühle zu sehen/spüren und deren Bedürfnisse daraufhin zu erkennen (und auch zu respektieren). Und da muss es nicht immer sanft zu gehen, es ist sogar recht aufwühlend und teilweise irritierend, wenn man sehr direkt mit den Bedürfnissen eines anderen Menschen konfrontiert wird. Wichtig zu sagen ist auch: GFK ist eine innere Haltung und kein „Werkzeug“. [1]

Das Modell der GFK geht auf Marshall B. Rosenberg [1] zurück und die Frage die sich nun stellt ist die: Warum steht etwas über die GFK in einem Blog über Service Engineering?

Nun, ich stelle da vorweg mal eine wirksame Methode der Dienstleistungsentwicklung vor: Die Customer Journey Map. Wenn man zum Beispiel die Customer Journey Map [2] näher betrachtet,wird man feststellen, dass hier von Touchpoints die Rede ist. Ein Touchpoint [2] ist,ganz salopp ausgedrückt, ein Kundenkontaktpunkt. Der kann visible oder hidden sein – also: das Unternehmen „checkt es“, dass der Kunde in Interaktion mit dem Unternehmen tritt (Bsp.: Beratung am Schalter durch einen Mitarbeiter des Unternehmens = VISIBLE). Es gibt auch HIDDEN Touchpoint.Das bedeutet, das Unternehmen checkt den Kundenkontakt nicht direkt (Bsp.: Kunde schaut die Website des Unternehmens an. Da kann ich nur im Nachhinein schauen, wieviele Leute wo unterwegs waren auf der Seite. Just-in-Time Eingriff in den Kundenkontakt ist da schwer möglich (nicht unmöglich! – dazu ein anderes Mal)). Jan Carlson spricht daher bei jedem visible Kundenkontakt von einem „Moment of Truth“ (Moment der Wahrheit) [3].

Aber nochmal zurück zur Frage, was hat nun Gewaltfreie Kommunikation mit Service Design/Development/Engineering Methoden zu tun?

Nun: In der CustomerJourney Map beobachte ich das Verhalten und das Empfinden/die Gefühle des Kunden im Kontaktpunkt. Ich möchte verstehen, wie es meinem Kunden (Persona) entlang der von mir angebotenen Dienstleistung geht. Was sieht er/sie, was FÜHLT er/sie, was riecht er/sie….

Marshall Rosenbergs Modell setzt nun an einer Stelle an, wo eine Barriere für mich bisher war: Was leite ich aus dem Gefühl ab? Wie geht es hier weiter?

Rosenbergs Ansatz hilft hier weiter: Nutzen wir als Beispiel eine „klassische Customer Journey Map Case Study“ mit dem Fall „FLUGHAFEN“. Wenn der Kunde am Flughafen ankommt und nicht sofort zum Check-In Schalter findet, entstehen Gefühle wie ÄRGER, IRRITATION und auch ANGST. Die Bedürfnisse dahinter könnten sein: KLARHEIT zu haben wo man hin muss, SICHERHEIT zu bekommen, den Flug nicht zu verpassen, UNTERSTÜTZUNG zu bekommen um den Weg zu finden.

Und das ist nun mal was konkretes um an der Bedürfniserfüllung arbeiten zu können. Denn es ist echt herausfordernd, wenn man mit dem folgenden Attribut eine Service Lösung bauen muss: „Kunde ÄRGERT sich.“

Folgender möglicher Dialog lässt sich da ableiten:
Entwickler: „Kunder ärgert sich? Ja okay, was soll ich als Entwickler nun ganz konkret machen?“
CJM Ersteller: „Dafür sorgen, dass er sich nicht so ärgert.“
Entwickler: „Okay…???“

Meine Meinung: Damit wird es nicht klarer.

Wenn ich hingegen sage: Der Kunde ärgert sich und braucht KLARHEIT, UNTERSTÜTZUNG  und SICHERHEIT beginnen bei mir schon die ersten Lösungsansätze im Hirn zu sprudeln (quasi: das brainen geht los!)

So, und damit unsere Audience (= Studierende) im Studium diesen Zugang kennen lernen, haben wir am 27.4.2012 einen GFK Workshop mit Irmgard Barta [4] (Abb. 1 und 2) bei uns veranstaltet.

Abb.1: Der erste Schritt der GFK – Beobachten, ohne zu bewerten

Abb. 2: Beurteilungen/Vorurteile/Bewertungen

Vorerst im kleinen Rahmen der Teamleader von Projektgruppen hat Irmgard in vier Lehreinheiten den Zugang zum Thema geschaffen und die vier Schritte der GFK vorgestellt [1]:

  1. Beobachten, ohnen zu Bewerten
    Was passiert gerade, was ist passiert? Was habe ich gehört, gesehen und gefühlt,Was hätte eine Kamera aufgenommen?
  2. Gefühl
    Welches Gefühl ist dabei entstanden?
  3. Bedürfnis
    Welches Bedürfnis ist an dieses Gefühl gekoppelt?
  4. Bitte
    Wie kann ich positiver Handlungssprache darum Bitten, dass dieses Bedürfnis erfüllt wird

Erkenntnis:

Und plötzlich war für mich wieder Erkenntnis im Spiel, denn wenn ich mich an den Service Design Workshop [5] von Alan Boyles zurückerinnere, der in der Lehrveranstaltung sagte: „Wir bei USCREATES arbeiten mit einem sehr empathischen Zugang zu den Menschen, wir stellen offene Fragen und versuchen das Gefühl der Betroffenen abzuholen. […] Aus allen Aussagen und Daten die wir haben, erstellen wir dann Bedürfnismuster um zu verstehen, welche Bedürfnisse die Audience wirklich hat.“ dann sehe ich klare parallelen zum GFK Ansatz.

GFK bildet nun für mich das Fundament für jeden empathischen Zugang zum Kundenbedürfnisverständnis in der Dienstleistungsentwicklung (und Erbringung). Aber auch zum Selbstverständnis trägt es maßgeblich bei, denn ich bin der Meinung, dass eine Dienstleistung nur dann wirklich gut werden kann, wenn ich weiß, dass ich selbst durch die Erlebnisse beim Datenerheben als „Messinstrument“ wesentlich „mit“-beeinflusst werde. Da hilft Selbstempathie um das zu klären (was hat dieses oder jenes Statement bei der Kundenbeobachtung bei MIR verursacht?) um dann im nächsten Schritt wieder in Kundenbedürfnissen denken zu können. Ich respektiere alle quantitativen Kundenbedürfniserhebungsmethoden, möchte aber eine Beobachtung hier erzählen: bei meinem ersten GFK Workshop mit Irmgard habe ich ungefähr drei Stunden benötigt um zu verstehen, warum ich mich in einer gewissen Situation immer über mein Kind ärgere (Erkenntnis: „Nein, es geht mir nicht um Respekt, es ist das Bedürfnis nach Struktur und Ordnung“ :-)). Und da hatte auch noch Begleitung durch andere Kurskollegen die mich unterstützt haben.

Langer Rede kurzer Sinn – GFK wird in das Curriculum eingebunden (Workshops/Gastvorträge/Lehre). Die GFK bildet für mich die Grundlage in der Kommunikation für jeden Service Developer in der qualitativen Erhebung von Kundenbedürfnissen für Dienstleistungen. Und nebenbei, hilft es auch noch, das eigene und das Leben anderer zu bereichern! Wenn das kein WIN-WIN ist! 🙂

PS: Sobald ich erste Rückmeldungen von unserer Audience über den GFK Workshop habe, werde ich natürlich auch die Voice-of-Customer hier posten!

Quellen:

[1] Rosenberg, Marshal B. 2010. Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. 9. Auflage. Paderborn : Junfermann Verlag, 2010. ISBN 978-387387-454-1.

[2] Stickdorn, Marc und Schneider, Jacob, [Hrsg.]. 2012. This is Service Design Thinking. Basics-Tools-Methods. Amsterdam : Bis Publishers, 2012. Auch online im Internet: http://thisisservicedesignthinking.com (Abruf 28.4.2012). ISBN-13: 978-9063692797.

[3] Carlzon, Jan. 1992. Alles für den Kunden. 5. Auflage. Frankfurt/New York : Campus Verlag, 1992. ISBN 3-593-33975-7.

[4] Barta &Team, http://www.barta-team.at (Abruf 28.4.2012)

[5] USCREATES Workshop Service Design mit Alan Boyles,http://www.serviceengineering.at/blog/?p=508  (Abruf 28.4.2012)